Kategorie: Führung

  • KI ist kein Teamkollege. Aber das beste Tool für dein Team.

    KI ist kein Teamkollege. Aber das beste Tool für dein Team.

    Liest man die Nachrichten in der Technologiebranche, so meint man, dass alle Unternehmen gerade KI-Agenten bauen. Die Zukunft der Arbeit scheint darin zu bestehen, dass Menschen und KI zusammen in Teams arbeiten. Wahrscheinlich ist es eine natürliche menschliche Tendenz – wir erschaffen nach unserem eigenen Ebenbild. Aber während wir versuchen, die KI-Belegschaft von morgen zu verstehen, bin ich zunehmend davon überzeugt, dass die Betrachtung künstlicher Intelligenz als „Teammitglieder“ einen wichtigen Punkt verfehlt.

    Meine Führungsmission war schon immer einfach: Menschen dabei zu helfen, bessere Produkte zu entwickeln und gleichzeitig die Arbeit etwas weniger elend zu machen. Während meiner gesamten Laufbahn habe ich beobachtet, wie leicht unsere Arbeitsumgebungen uns von dem trennen, was uns grundlegend menschlich macht. Unternehmen brauchen Innovation, Menschen sehnen sich nach sinnvollem Beitrag, doch die Arbeit fühlt sich unbefriedigend und belastend an.

    Heute transformiert KI unsere berufliche Landschaft. Zweifellos steigert sie die Agilität durch schnellere Feedback-Schleifen und kleinere KI-gestützte Teams. Doch sie könnte die menschenzentrierte Sicht auf die Arbeit, die im Kern der agilen Denkweise steht, gefährden. Sollten wir also nach menschenähnlichen Kollegen streben, oder sollte KI als etwas einzigartig Komplementäres zur menschlichen Natur konzipiert werden? Wollen wir wirklich zukünftig mit KI-Teammitgliedern zum Mittagessen gehen?

    Ersetzen oder Verbessern

    In einem kürzlich erschienenen Artikel skizzierte Jürgen Appelo seine Vision für „After Agile“ – eine Welt, in der KI-Assistenten zu interoperablen Werkzeugen und Teammitgliedern werden, die eine neue „Sprache“ aus Protokollen, Semantik, Verhandlung und Nachprüfbarkeit sprechen. Appelo stellt sich Systeme vor, die Beziehungen, Abläufe und Abstimmungen zwischen Menschen und autonomen Agenten koordinieren.

    Jeder Power-User von KI-Werkzeugen wird zustimmen, dass Jürgens Aufruf zur Einführung neuer Protokolle für die Mensch-Agent-Zusammenarbeit überzeugend ist. Heute sind wir massiv limitiert in der Art und Weise, wie wir mit KI arbeiten – und die Antwort darauf ist sicher nicht bloß „Prompt Engineering“. Doch ich frage mich, ob wir die richtige Frage stellen. Statt „Wie machen wir KI menschenähnlicher?“ sollten wir vielleicht fragen: „Wie nutzen wir KI, um das zu verstärken, was uns einzigartig menschlich macht?“

    Die Falle der menschenähnlichen KI

    Viele Unternehmen wetteifern darum, KI-Personal-Assistenten zu entwickeln – digitale Entitäten, die darauf ausgelegt sind, menschliche Zusammenarbeit zu simulieren. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass diese Agenten zunehmend menschenähnlicher werden sollten und schließlich als „echte“ Mitarbeiter funktionieren.

    Dieser Ansatz scheint futuristisch und doch intuitiv, aber ich glaube, er lässt grundlegende Aspekte sowohl der menschlichen Psychologie als auch unserer Beziehung zur Technologie außer Acht. Um einen alternativen Kurs zu planen, müssen wir drei einzigartig menschliche Superkräfte erkennen und nutzen: Werkzeuggebrauch, Zusammenarbeit, und Anpassungsfähigkeit.

    Menschliche Superkraft #1: Werkzeuge

    Ein evolutionärer Vorteil als Menschen ist unsere unvergleichliche Fähigkeit, Werkzeuge als Erweiterungen des eigenen Körpers zu begreifen. Von Handäxten bis zu Smartphones – menschliche Gehirne verdrahten sich buchstäblich neu, um Werkzeuge als Körpererweiterungen zu behandeln.

    Man denke an das Fahrrad als Metapher. Für einen professionellen Radfahrer existieren Fahrrad und Körper in perfekter Symbiose – jeder Muskel feuert, jeder Gangwechsel ist intuitiv. Es gibt keine bewusste Übersetzung zwischen Absicht und Ausführung. Noch wichtiger ist, dass diese Meisterschaft tiefe Freude bringt. Je härter der Anstieg, desto größer der Nervenkitzel beim Erreichen des Gipfels.

    KI-Agenten können als Werkzeuge der nächsten Generation dienen. Sie können repetitive Aufgaben eliminieren, aber ihr wahres Potenzial liegt darin, „kognitive Prothesen“ zu werden, die unsere Neugier, Kreativität und Problemlösungsfähigkeit verstärken. Statt langwieriger Marktanalysen kann Deep Research eine Idee in Minuten überprüfen. Unsere eigene Fähigkeit, kritisch zu denken, ist eine knappe Ressource, die nun durch KI erweitert werden kann.

    Menschliche Superkraft #2: Zusammenarbeit

    Unsere zweite Superkraft ist echte menschliche Verbindung. Wenn wir effektiv zusammenarbeiten, setzen unsere Gehirne Oxytocin und Serotonin frei und erzeugen dieses unverwechselbare „warme Gefühl“ des Zusammenarbeitens. Gemeinsamer Zweck und Vertrauen entfachen Kreativität und Wohlbefinden auf eine Weise, die kein Algorithmus replizieren kann. Während KI große Teile der Arbeit übernehmen kann, kann sie keinen echten Funken des Vertrauens oder spontane Einsicht aus menschlicher Verbindung auslösen.

    Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, Freund von Feind anhand von Mikroausdrücken, Tonfall und Körpersprache zu unterscheiden. Unsere Fähigkeit, subtile menschliche Hinweise zu erkennen, bedeutet, dass KI immer hinter echter menschlicher Interaktion zurückbleiben wird. Diese Erkennungssysteme arbeiten unterhalb des bewussten Bewusstseins, was es für KI unmöglich macht, unser Bedürfnis nach echter menschlicher Verbindung vollständig zu befriedigen.

    Das ist kein Versagen der Technologie. Selbst wenn KI irgendwann fast nicht mehr vom Menschen zu unterscheiden ist – wir werden es wissen. Und dieses Wissen untergräbt echte Verbindung. KI als vollwertige Teammitglieder zu behandeln, kann die Gemeinschaft aushöhlen und soziale Isolation verstärken. Produktivität steigt – aber um den Preis wachsender Entfremdung.

    Menschliche Superkraft #3: Anpassung

    Anstatt KI in menschenähnliche Rollen zu zwingen, schlage ich einen anderen Ansatz vor, der auf einer dritten Superkraft aufbaut: unserer Fähigkeit zur Anpassung. Die Menschheit hat sich immer wieder an neue Technologien angepasst – ob bei der Erfindung der Landwirtschaft, dem Bau von Städten oder dem Sprung ins digitale Zeitalter. Jede Veränderung brachte neue Werkzeuge und neue Arten des Zusammenlebens, Organisierens und Denkens hervor.

    In dieser Vision dienen Agenten als Verstärker, nicht als Ersatz. Sie beschleunigen Ergebnisse und erweitern unsere kognitive und kreative Bandbreite. Aber das menschliche Team bleibt im Zentrum. Wir entwerfen Arbeitsweisen, bei denen KI unsere Leistung steigert, während wir sowohl die Freude am Beherrschen von Werkzeugen als auch die Wärme der Zusammenarbeit beibehalten.

    Natürlich brauchen wir immer noch effektivere Wege, mit KI zu arbeiten, und ich stimme Jürgens Aufruf für eine Sprache, die über das Prompting hinausgeht, vollkommen zu. KI-Verstärkung wird enormen Einfluss auf die menschliche Fähigkeit haben, zu leisten und erfolgreich zu sein. Dies kann die Arbeit von langweilig zu aufregend verwandeln und Teams Freude bringen. Aber die emotionalen Aspekte der Arbeit, die Rückschläge, die Durchbrüche, der Nervenkitzel des gemeinsamen Erfolgs, werden immer einzigartig menschlich bleiben.

  • Über Parallelen zwischen Management und Fußball



    Über Parallelen zwischen Management und Fußball



    ein Interview mit Axel Möring von 11+media

    digital rapids:
    Axel, wir bewundern deinen langen Atem und die Konsequenz, mit der du dein Unternehmen seit über 15 Jahren aufgebaut und geführt hast. Ihr bei 11+media helft Sponsoren, Fußballvereinen und -verbänden, ihre Marketingstrategien zu professionalisieren, ihre Reichweite zu steigern und letztlich auch ihre wirtschaftliche Basis zu stärken. Besonders spannend finden wir, dass Ihr dabei stark auf die emotionalen Aspekte des Sports setzt, um nachhaltige Verbindungen zwischen Vereinen, Partnern und Fans zu schaffen. Und wenn ich richtig informiert bin, habt ihr kürzlich den Auftrag für die Videoberichterstattung des HSV-Aufstiegs-Events bekommen – herzlichen Glückwunsch dazu!

    Axel Möring:
    Vielen Dank! Ja, das stimmt, und darauf sind wir auch wirklich stolz. Unser Ziel ist es, Sponsoren, Fußballvereine und -verbände in ihrer Kommunikation, im Marketing und in der Vermarktung zu unterstützen, damit sie ihre Marke und ihre Botschaften noch besser transportieren können.



    digital rapids:
    Besonders in den letzten Jahren sehen wir, dass viele Geschäftsführer mit grundlegenden Veränderungen in der Wirtschaft konfrontiert sind. Plötzlich tauchen neue Zölle auf, Regularien ändern sich, Märkte verschieben sich, und die Digitalisierung sowie Künstliche Intelligenz mischen die Karten komplett neu. Die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und sich schnell anzupassen scheint für Unternehmen dabei essenziell.

    Es ist jedoch keine einfache Aufgabe für Unternehmen, Prozesse schlanker, effizienter und agiler zu gestalten, sei es durch den Einsatz eines KI-Algorithmus oder durch die Etablierung eines kontinuierlichen Veränderungsmanagements. Besonders herausfordernd ist dies für Unternehmen mit starren Strukturen, selbst bei jungen Firmen. Noch schwieriger wird es für kleinere Mittelständler, bei denen früher beispielsweise ein elektronisches Lager oder digitale Produktionsprozesse keine Rolle spielten. Doch dann schlägt eine Lieferkettenkrise zu, und plötzlich fehlt ein wesentlicher Bestandteil im Produktionsprozess – etwa ein Klebstoff. Und obwohl man fünf verschiedene Werke hat, fehlt der Überblick über die Bestände in den Lägern.

    Deshalb ist es keine Frage des Luxus, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit, sich als Unternehmen strategisch neu aufzustellen. Axel, Du hast ja relativ viel Kontaktpunkte zu den Vereinen, zu den Sportdirektoren, und warst ja selbst auch mal aktiver Fußballer. Gibt es vergleichbare Situationen im Fußball oder im Sportmarketing, in denen sich die Rahmenbedingungen plötzlich und drastisch ändern?


    Axel Möring:
    Der Fußball hat sich in den letzten Jahren enorm professionalisiert, und das spiegelt sich auch in den Vereinsstrukturen wider. Früher gab es in einem Verein oft nur einen Ansprechpartner, der sich um alles gekümmert hat – von der Sponsorensuche bis zur Vertragsabwicklung. Heute ist das anders: Es gibt spezialisierte Teams, die sich jeweils um Pre-Sales, Vertrieb oder das Partnermanagement kümmern. Häufig wird der Vertrieb auch an externe Agenturen wie Sportfive oder Infront ausgelagert. Diese Entwicklung war unumgänglich, da der Markt immer komplexer geworden ist und die Anforderungen an die Vereine stetig gestiegen sind.

    Das Spiel selbst hat sich hingegen im Kern kaum verändert. Natürlich gibt es technische Innovationen wie den Video Assistant Referee (VAR), der für mehr Fairness sorgt, indem Fehlentscheidungen korrigiert werden. Gerade bei den hohen Geldsummen, die im Fußball im Umlauf sind, ist das wichtig. Dennoch nimmt der VAR dem Spiel manchmal etwas von seiner Emotionalität. Fußball lebt ja auch von Diskussionen, von Fehlentscheidungen, die später für Gesprächsstoff sorgen. Und dann gibt es immer wieder neue Ideen, wie etwa den Vorschlag der FIFA, bei einem WM-Finale eine längere Halbzeitpause einzuführen, um eine Showbühne aufzubauen. Solche Konzepte mögen in den USA gut funktionieren, wo der Sport stark auf Entertainment ausgerichtet ist. In Europa hingegen stoßen solche Ideen häufig auf Widerstand, weil der Fußball hier kulturell anders verankert ist.

    digital rapids:
    Das ist ein spannender Punkt. Wir erleben ja auch in der Wirtschaft massive Veränderungen – sei es durch Digitalisierung, KI oder die Probleme in globalen Lieferketten. Viele Unternehmen stehen unter Druck, sich anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gibt es solche Herausforderungen auch im Fußball?

    Axel Möring:
    Absolut. Fußballvereine mussten ihre Strukturen in den letzten Jahren massiv ausbauen, um mit den gestiegenen Anforderungen Schritt zu halten. Das hat auf der einen Seite zu großer Professionalität geführt, bringt aber auch neue Probleme mit sich. Viele Geschäftsstellen, gerade in der Bundesliga, sind inzwischen stark gewachsen, teilweise überdimensioniert, was die Effizienz beeinträchtigen kann. Gleichzeitig ist es essenziell, dass Vereine Konstanz in Schlüsselpositionen wie der des Sportdirektors wahren. Diese Rolle wird oft unterschätzt, ist aber entscheidend für den sportlichen Erfolg.

    Ein Verein braucht eine klare Strategie und Werte, die über einzelne Personen hinaus Bestand haben. Leider sehe ich oft, dass Vereine bei Rückschlägen ihre Konzepte über Bord werfen, anstatt langfristig an ihnen festzuhalten.

    digital rapids:
    Das zeigt, wie wichtig eine nachhaltige Modernisierungs-Strategie ist. Wie siehst du die Bedeutung solcher langfristigen Ansätze im Fußball?

    Axel Möring:
    Eine nachhaltige Strategie ist unverzichtbar. Erfolg kommt nicht über Nacht oder durch kurzfristige Maßnahmen. Er entsteht durch kluge Investitionen in die Grundlagen. Dazu gehört die Nachwuchsförderung ebenso wie ein gut durchdachtes Scouting. Natürlich haben finanzstarke Vereine wie RB Leipzig hier klare Vorteile. Leipzig ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine langfristige Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann. Mit ihren globalen Netzwerken und Strukturen haben sie sich einen Vorteil verschafft. Sie betreiben mehrere Clubs auf verschiedenen Kontinenten, um Talente gezielt auszubilden, zu entwickeln und zwischen den Standorten auszutauschen. Das ist eine enorme Stärke.

    Aber auch kleinere Vereine können erfolgreich sein, wenn sie sich auf ihre Stärken konzentrieren und ihre Ressourcen sinnvoll einsetzen. Der HSV ist dieses Jahr ein gutes Beispiel: trotz der schwierigen Phase im Frühjahr haben sie am Trainer festgehalten, anstatt ihn wie in den Vorjahren auszutauschen. Solche Kontinuität zahlt sich aus, denn sie schafft Vertrauen und Stabilität. Es zeigt, dass man auch schwierige Zeiten gemeinsam bewältigen kann, ohne gleich alles umzuwerfen.

    digital rapids:
    Kommunikation scheint in diesem Kontext – ähnlich wie in Unternehmen – eine entscheidende Rolle zu spielen. Wie wichtig ist sie im Fußball – und auch in deinem Arbeitsbereich?

    Axel Möring:
    Kommunikation ist der Schlüssel, sowohl im Fußball als auch in der Wirtschaft. Ein großer Fehler, den ich immer wieder sehe, ist, wichtige Akteure nicht einzubinden oder nicht frühzeitig mitzunehmen. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Vorfall vor einigen Jahren: Ein Investor wollte in die Bundesliga einsteigen und den Clubs finanzielle Unterstützung bieten.

    Die Idee war gut durchdacht, und die Vereine waren begeistert, weil sie sich neue Einnahmequellen erhofften. Aber man hat vergessen, die Fans einzubinden. Das führte zu massiven Protesten, weil die Fans sich übergangen fühlten. Dabei sind sie das Herz eines jeden Vereins. Sie sorgen für die volle Stadien, die emotionale Atmosphäre, die den Fußball ausmacht, und machen die Bundesliga auch international so attraktiv.

Genauso ist es in Unternehmen: Wenn Mitarbeiter nicht in Veränderungsprozesse eingebunden werden, entsteht Widerstand. Transparente Kommunikation ist essenziell. Man muss die Menschen frühzeitig abholen, ihre Sorgen ernst nehmen und sie in den Prozess einbeziehen. Nur so schafft man Vertrauen, Motivation und letztlich die Basis für langfristigen Erfolg. Das gilt für Fußballvereine genauso wie für Unternehmen in anderen Branchen.

    digital rapids:
    Axel, vielen Dank für diese wertvollen Einblicke und die spannenden Parallelen, die du zwischen Fußball und Wirtschaft aufgezeigt hast. Wir freuen uns schon auf die Berichterstattung über das HSV-Event. Wann findet die Feier genau statt?

    Axel Möring:
    Vielen Dank! Die Feier ist für kommenden Montag geplant. Es wird eine Fahrt um die Aussenalster geben, und es ist auch ein Empfang im Rathaus vorgesehen. Die Planungen laufen noch, und es gibt einige organisatorische Fragen zu klären – zum Beispiel, ob es eine offizielle Schale geben wird oder nicht. Aber ich bin sicher, dass es ein großartiges Event wird. Wir werden alles professionell für den Partner dokumentieren, damit die Fans diese besonderen Momente noch einmal erleben können.

    digital rapids:
    Das klingt fantastisch. Vielen Dank, Axel, und viel Erfolg bei der Umsetzung!

    Axel Möring:
    Vielen Dank! Es hat Spaß gemacht, über diese Themen zu sprechen.

  • Algorithmisches Selbst-Management

    Algorithmisches Selbst-Management

    KI könnte eine der größten Herausforderungen im Management von Teams lösen

    Ein guter Freund hat kürzlich seinen Job gekündigt – und ich war selten so erleichtert. Monatelang hatte ich mitangesehen, wie er unter einer Flut von Feedback durch seine Vorgesetzten litt. Jeder Ratschlag war gut gemeint und sollte „ihm beim Wachsen helfen“. Stattdessen aber untergrub es systematisch sein Selbstvertrauen und seine Leistung fiel immer weiter ab. Ironischerweise trieb ihn ausgerechnet das Feedback, das ihn fördern sollte, beinahe in eine Depression.

    Dies ist kein Einzelfall. Feedback, wie es heute in vielen Unternehmen praktiziert wird, ist grundlegend defekt. Führungskräfte fühlen sich verpflichtet, auf Fehler hinzuweisen, in dem Glauben, es sei ihre Pflicht, Mitarbeiter zur Verbesserung anzuleiten. Von Mitarbeitern wird währenddessen erwartet, Kritik demütig anzunehmen oder sie riskieren, als „uncoachbar“ abgestempelt zu werden. Aber was, wenn wir das gesamte Konzept des Feedbacks missverstanden haben?

    Feedback scheitert nicht nur, weil Menschen Kritik nicht mögen. Es scheitert, weil es von Natur aus subjektiv und emotional belastend ist. Wir wurden konditioniert zu glauben, Feedback sei unverzichtbar. Führungskräfte ringen mit sich selbst und ihren Mitarbeitern darum, es auf die richtige Weise anzubringen. Doch die Beweise – und unsere gelebte Erfahrung – deuten darauf hin, dass es einfach nicht funktioniert. Es ist an der Zeit, zu überdenken, wie wir Menschen in ihrer Entwicklung unterstützen. Offensichtlich ist Feedback nicht die Antwort.

    Die Wissenschaft gegen Feedback

    Marcus Buckingham und Ashley Goodall stellen fest: Menschliches Urteilsvermögen ist zutiefst fehlerhaft. Wenn Manager Leistung bewerten, werden ihre Einschätzungen überwiegend von ihren eigenen Vorurteilen und Wahrnehmungen beeinflusst – was Forscher als „idiosynkratischen Bewertereffekt“ bezeichnen. Das Ergebnis? Feedback spiegelt eher den Bewerter wider als die Person, die es erhält. Und beschädigt oft eher die Vertrauensbasis, als dass sie weiterhilft.

    Goodharts Gesetz verschärft dieses Problem zusätzlich und erinnert uns daran, dass sobald eine Kennzahl zum Ziel wird, sie aufhört, eine nützliche Kennzahl zu sein. Wenn Teams spüren, dass Metriken gegen sie verwendet werden, beginnen sie, das System zu manipulieren, wodurch selbst noch so sachliches Feedback unzuverlässig und ineffektiv wird.

    Zwischen Stoppuhr und Laissez-faire

    Historisch gesehen schwankten Management-Ansätze zwischen Extremen. Der Taylorismus optimierte die Produktivität in Industriefabriken durch rigides Top-down-Management – scheiterte aber an Kreativität und Komplexität wie sie moderne Wissensarbeit mit sich bringt. Agile Methoden entstanden, um diese Komplexität zu bewältigen und versprachen Autonomie und Selbstorganisation. Doch allzu oft löste sich agile Führung in einen Laissez-faire-Ansatz auf, schuf ein Führungsvakuum und ließ Teams ohne klare Richtung oder Verantwortlichkeit zurück.

    Währenddessen belebten Unternehmen wie Uber tayloristische Prinzipien neu und setzten Algorithmen ein, um gering qualifizierte Arbeitskräfte zu steuern. Dieses „algorithmische Management“ war effizient, aber entmenschlichend, da die Arbeitnehmer eine unerbittliche Überwachung ohne Autonomie oder Vertrauen erlebten.

    Menschen wollen weder von unflexiblen Algorithmen mikrogemanagt werden, noch von überforderten Managern im Stich gelassen werden. Sie sehnen sich nach Autonomie, benötigen aber dennoch strukturierte Unterstützung, um erfolgreich zu sein. Dieses Paradoxon verlangt nach einem neuen Ansatz: algorithmisches Selbstmanagement.

    Die Uhr lügt nicht

    Spitzensportler messen sich unerbittlich an der Uhr – nicht, weil die Uhr sie beurteilt, sondern weil sie klares, unvoreingenommenes, sofortiges Feedback liefert. Sie kritisiert nicht und schmeichelt auch nicht – sie zeigt einfach die Wahrheit. Sportler geben nicht der Uhr die Schuld, wenn sie ihre Ziele verfehlen. Sie übernehmen Verantwortung, passen ihren Ansatz an und streben nach Verbesserung. Teams in komplexen, kollaborativen Umfeldern brauchen ähnliche klare, datenbasierte Rückmeldungen – keine Bewertung, sondern neutrale Einsichten zur Selbststeuerung.

    Selbstmanagement, KI-getrieben

    Algorithmisches Selbstmanagement, angetrieben durch KI, bietet Teams das Beste aus beiden Welten: Autonomie und Struktur. Diese Methode kombiniert die Erkenntnisse aus der modernen Arbeitsforschung und dem Algorithmischen Management wie es Jurgen Appelo in seinem Buch „Human Robot Agent“ vorstellt, bei dem automatisierte Systeme Managementfunktionen übernehmen. Stellen Sie sich einen intelligenten Assistenten vor, der nahtlos in den Arbeitsablauf eines Softwareentwicklungsteams integriert ist – der Prozesse beobachtet, Daten aus User Stories, Velocity, Codequalität, Deployments und Fehlerbehebungen analysiert. Diese KI fällt keine Urteile; sie bietet Beobachtungen und stellt aufschlussreiche Fragen, die darauf abzielen, teamgetriebene Verbesserungen anzuregen.

    Im Gegensatz zu menschlichen Managern kann diese KI enorme Datenmengen objektiv und konsistent verarbeiten, Muster und Anomalien in Echtzeit erkennen. Ihre Vorschläge sind weder strafend noch persönlich. Sie sind ausschließlich darauf ausgerichtet, Effektivität, Effizienz und letztendlich Meisterschaft zu entwickeln. Mitarbeiter erhalten gezielte Einblicke in ihre Leistung, die sie befähigen, ihre Praktiken proaktiv statt reaktiv anzupassen.

    Radikale Offenheit, neu gedacht

    Damit algorithmische Selbststeuerung gelingt, braucht es eine Kultur radikaler Offenheit. Vertrauen und Transparenz sind unverzichtbar. Führungskräfte müssen sich klar positionieren: KI-Analysen sind ein Werkzeug für Wachstum, kein Instrument für Überwachung. Das Ziel ist nicht, Teams zu kontrollieren, sondern sie zu ermächtigen.

    Dieser Konsens erfordert ein echtes Bekenntnis sowohl der Führungskräfte als auch der Teammitglieder. Führungskräfte müssen die Integrität und Unparteilichkeit der KI schützen und jeder Versuchung widerstehen, die Daten zu missbrauchen oder als Waffe einzusetzen. Teams verpflichten sich im Gegenzug zur Selbstverantwortung und nutzen KI-generierte Erkenntnisse als neutrale Orientierungshilfe – ohne die zwischenmenschlichen Spannungen traditioneller Feedback-Methoden. So schafft algorithmisches Selbstmanagement die Basis für echte Autonomie, Meisterschaft und kontinuierlicher Verbesserung – und löst damit ein grundlegendes Versprechen agiler Prinzipien ein.

    Einen Schritt weiter: Ein Blick in die Zukunft

    Stellen Sie sich ein Produktteam vor, das Schwierigkeiten hat, ein MVP rechtzeitig zu liefern. Sie sind engagiert, talentiert, aber bleiben konsequent hinter den Erwartungen zurück. Anstatt einen Manager hinzuzuziehen, um hartes Feedback zu geben, konsultiert das Team ihr KI-gesteuertes Dashboard. Die KI identifiziert, dass ihre aktuelle Geschwindigkeit nicht ausreicht, um die Produktmeilensteine zu erreichen. Sie hebt wichtige Engpässe hervor, schlägt Backlog-Refinements vor, ermutigt zum Pair Programming und empfiehlt sogar spezifische Aktivitäten zur Weiterbildung. Aufbauend auf den jüngsten Fortschritten in künstlicher Empathie könnte die KI in der Lage sein, die Stimmung im Raum zu erfassen, soziale Hinweise zu erkennen und Erkenntnisse auf die am besten geeignete Weise zu vermitteln.

    Das Team setzt sich offen mit diesen Erkenntnissen auseinander, frei von den zwischenmenschlichen Spannungen, die typischerweise mit kritischem Feedback verbunden sind. Mit klaren, umsetzbaren Ratschlägen aus einer unparteiischen Quelle passen sie schnell ihre Strategie an, gewinnen an Geschwindigkeit und erreichen ihre Ziele. Ohne Schuldzuweisungen, Abwehrhaltung oder beschädigte Beziehungen.

    Lasst die Stoppuhr sprechen

    Traditionelles Feedback hat uns im Stich gelassen. Veraltete Management-Ansätze haben sich in den komplexen Arbeitsumgebungen von heute als unzureichend erwiesen. Die Lösung besteht nicht darin, Struktur aufzugeben oder sich hinter starren, unpersönlichen Algorithmen zurückzuziehen. Stattdessen brauchen wir einen intelligenteren, menschlicheren Ansatz – algorithmisches Selbstmanagement, angetrieben durch empathische KI.

    Geben wir Teams die Stoppuhr, die sie brauchen: klar, unvoreingenommen, unterstützend und immer ermächtigend. Es ist an der Zeit, die Stoppuhr sprechen zu lassen und jedem Team zu helfen, sein Potenzial zu entfalten.

    Ich würde mich über Ihre Perspektiven freuen – kann KI transformieren, wie wir Leistung managen, indem wir Autonomie und Meisterschaft anstelle von traditionellem Feedback fördern? Sprechen Sie uns einfach an.